Die Vision der amerikanischen Tanzpionierin Isadora Duncan
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Isadora lebte in einer Künstlerfamilie. Bereits mit jungen Jahren gab sie Kindern aus der Nachbarschaft Tanzunterricht, den ihre Mutter auf dem Klavier begleitete. Ihr älterer Bruder Augustin baute in der Scheune ein Theater, wo er Gedichte rezitierte zu denen Isadora tänzerisch improvisierte. Daraus entwickelt sich die Idee der Geschwister, längs der Küste zu touren und Komödien aufzuführen. Isadora tanzt 1895, 18-jährig in San Francisco erfolglos einem Theater-Impresario vor, dieser vertrat die Ansicht, dass ihr Tanz eher in eine Kirche gehört. In New York jedoch bot ihr der Theatermagnat John Augustin Daly pantomimische Rollen in seinen Shakespeare Produktionen an, wo Isadora im Sommernachtstraum als Fee tanzt.
Der ursprüngliche Traum der Familie Duncan in Griechenland zu leben und dort einen Tanz-Tempel zu errichten zerplatzte. Die Duncan`s hatten bereits in Kopanos ein Anwesen gekauft und mit dem Bau begonnen, als sie feststellten, dass es nicht möglich ist auf dem steinigen Boden eine Kanalisation zu errichten. „The Dance is a religion and should have its worshippers“ (Isadora Duncan; Prof. Alkis Raftis, International Dance Council.) Die griechische Philosophie und Kultur die der Vater Isadora lehrte, begleitet sie fortan. Im Mittelpunkt ihres Interesses stand von jeher die Gründung einer eigenen Schule. Und in ihren künftigen Tanzinternaten hingen Bilder mit Bacchanten, tanzende Faune sowie griechische Artefakte. Im Berliner Grunewald kaufte Isadora 1904 ein Grundstück und gründete eine Internats-Tanzschule für 5-6- jährige Mädchen. Die zuständige Schulbehörde in Potsdam erteilte die Genehmigung für eine staatlich anerkannte freie Volksschule.
Ihre Schwester Elizabeth leitet die Tanzschule und wohnt im Internat. Isadora bezieht eine Stadtwohnung. Weiterhin gibt sie internationale Gastspiele und sichert dadurch die Unkosten für die Schule. Tanz-Improvisationen in der Natur, die im Schulstudio eine choreografische Verdichtung erfahren, gehören zum Schulprogramm. Isadora legt in ihrer Tanzpädagogik den Akzent darauf, dass innewohnende Potential ihrer Schülerinnen zu entwickeln, damit sie ihren eigenen wahren Bewegungsausdruck finden. Eine Bibliothek mit dichterischer und tänzerischer Literatur lädt zum Selbststudium ein. Entgegen der ersten Prognose eines Schularztes der die Ansicht vertrat, dass einige der unterernährten und sich in schlechter körperlicher Verfassung befindenden Mädchen, niemals Tänzerinnen werden würden, unterstützten die natürlichen tänzerischen Bewegungen sowie eine ausbalancierte vegetarische Ernährung den Heilungsprozess. Später tourten ihre Schülerinnen als die famosen „Isadorables“ durch die Länder und verbreiten die Tanzphilosophie von Isadora.
Bei einer Tanzdarbietung Isadora“s in der Knabenschule der kaiserlichen Ballettschule in St. Petersburg, tanzte sie statt in der vorgeschriebenen Trikot-Bekleidung in einer hellblauen griechischen Tunika. Ihre Beine waren nackt. Den Abschluss der außergewöhnlichen Vorstellung vollendete sie indem sie den erstaunten Zuschauern statt einer Verbeugung, Kusshändchen zu warf.“ Wir starrten sie wie vom Donner gerührt an.“ Sie beeindruckte sogar die Balletts Russes. Marius Petipa und Michail Fokine waren die gefeierten Choreographen des Kaiserlichen Russischen Balletts zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schon unter Michail Fokine, rebellierten die Balletts Russes gegen den Akademismus der aristokratischen Tanzkunst. „Es war das Geheimnis der Duncan, daß sie wußte, was Tanzkunst ist“ (Hugo von Hofmannsthal) Die Tanzreform die Isadora einleitete inspirierte Fokine, der mit neuen Formen experimentierte um eine lebendige und zeitgemäße Ausdrucksform zu finden und unterstützte seine szenische Gestaltung.
Isadora pflegte freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern verschiedenster Metiers. Die berühmte Balletttänzerin Anna Pawlowa - die Isadora mit einem schwebenden Schmetterling verglich - dankte ihr für die Inspiration der Freiheit fließender Armbewegungen, in dem von Fokine für sie choreographierten “Pas seul“ des „Sterbenden Schwan.“ Isadora tanzte zu Kompositionen von Beethoven, Gluck und Chopin barfuß, einzig mit einem leichten Chiton bekleidet. Der russische Schauspieler und Regisseur Konstantin Stanislowski, der vor der Jahrhundertwende das Moskauer Künstlertheater gründete, sah die schöpferischen Prinzipien die er im Theater zu realisieren suchte bei Isadora im Tanz. „Die Duncan hatte etwas von einem sehr gewinnenden und leidenschaftlichen dem Schönen hingegebenen Professor der Archäologie.“ (Hugo von Hofmannsthal.) Beim Tanz im August (2019) inszenierte der französische Choreograph Jèrome Bel „eine didaktisch aufbereitete Begegnung über die Methode Duncan.“ (Prof. Hans Wolfgang Nickel, GEW)